Vom Produkt zur Plattform
Vor einem Monat kündigte Serif für den 30. Oktober die neue digitale Freiheit an. Gleichzeitig wurde der Shop geschlossen, Testversionen ließen sich nicht mehr herunterladen.
Ich bin schnell skeptisch, wenn mir jemand die große Freiheit verspricht – seit Freitag wissen wir, was es damit auf sich hat: Die drei einzelnen Programme werden in eine einzige App verschmolzen und – das wird überall gefeiert – sind ab jetzt absolut kostenlos. Einzige Voraussetzung ist ein Konto bei Canva, dem australischen Unternehmen, das Serif im März vergangenen Jahres für 380 Millionen US-Dollar übernommen hatte. Nur, wer die neu hinzugekommenen KI-Funktionen nutzen möchte, benötigt ein Abo, das ab 12 € im Monat oder 110 € im Jahr zu haben ist.
Affinity für immer kostenlos – kein Grund zu feiern?
Das neue Affinity (Version 3) hat ein paar neue Icons, sieht aber fast genauso aus wie die letzte Kaufversion 2.65 und hat auch fast dieselbe Funktionalität. Die neuen KI-Funktionen lassen sich (noch!) ausblenden und es gibt (noch!) keine nervenden Aufforderungen, ein Abo abzuschließen. Das muss/wird aber so nicht bleiben.



Enshittification* sorgt für Profit
Canva ist längst nicht die erste Firma, die mit einer Software den Weg vom Produkt zu einer Plattform einschlägt. Wondershare Filmora, ein Videoschnitt-Programm, wird mit jedem Update weiter eingeschränkt und die kostenpflichtigen Add-Ons sind so platziert, dass die wenigen kostenfreien Funktionen kaum zu finden sind. Komoot, geht seit dem Verkauf einen ähnlichen Weg.
Wie Canva sein Geld verdienen will
Canva muss mit Affinity Geld verdienen, das ist klar. Geld verdienen kann Canva aber nur mit den Abos und mit Werbung auf seiner Plattform. Ganz sicher wird Affinity in den kommenden Jahren Nutzer*innen durch Einschränkungen und neue Funktionen dazu drängen, Abonnent*in zu werden. Bereits jetzt holt man sich weitreichende Erlaubnisse, die Arbeiten und Vorlieben der Nutzer*innen zu erfassen und für personalisierte Werbung zu nutzen.
Bisherige Versionen sichern.
Wenn du eine registrierte Version von der Affinity-Suite oder einem der einzelnen Programme hast, lade dir jetzt unbedingt die Installationsdateien der letzten Version 2.6.5 herunter, damit du sie auch nach einem Systemwechsel oder einem Computercrash erneut installieren kannst. Dazu loggst du dich noch einmal in deinen Affinity-Account ein.
Falls du das neue Affinity benutzen willst, hebe auch hier jeweils eine Installationsdatei auf, sodass du bei Verschlechterungen noch eine Weile mit der „älteren“ Version arbeiten kannst.
Datenschutz-Einstellungen im Canva-Account sicher einstellen
Für das neue Affinity benötigst du einen Canva-Account. Widerspreche der Nutzung deiner persönlichen Informationen für Marketingzwecke. Die folgenden Screenshots zeigen dir, wie.





Fazit
Solange du kein Abo möchtest, kannst du bisher noch gut mit Affinity arbeiten. Alternativen gibt es im Open-Source-Bereich. Die Einarbeitungszeit ist jedoch meist deutlich länger. Falls du als Fotograf*in über ein Abo nachdenkst, ist – solange es Adobe bei einem Jahrespreis von 140 € belässt, das Adobe Foto-Abo wohl die bessere Wahl. KI-Funktionen, Neural-Filter u. a. sind denen von Canva überlegen. Für Designer und Menschen, die auch ein Layout-Programm benötigen, kann sich Affinity dennoch rechnen.
Tipps
Die Heise-Redaktion hat einen informativen Podcast zu Enshitification gemacht. Eine gut investierte ¾ Stunde. Abonnenten können auch den ausführlichen Zeitungsartikel lesen.
Enshittification: Wenn gute Produkte und Webdienste verhunzt werden | c’t uplink | heise online
*) Enshittification – Wikipedia
Dieser Artikel stellt die Meinung unseres Autors Thomas Michalak dar.
Bildquellen
- Affinity Photo 2.6.5 – die letzte Kaufversion: Screenshot und Foto: Thomas Michalak, Berlin
- Affinity von Canva, hier im Pixelbereich, dem früheren Affinity Photo: Screenshot und Foto: Thomas Michalak, Berlin
- Noch lassen sich im neuen Canva Affinity nicht gewünschte, kostenpflichtige Bereiche ausblenden.: Screenshot und Foto: Thomas Michalak, Berlin
- Canva: Hier geht es zu den Privatsphäre-Einstellungen: Screenshot und Hervorhebungen: Thomas Michalak Berlin
- Canva Nachrichtenoptionen 1: Marketingmitteilungen ablehnen.: Screenshot und Hervorhebungen: Thomas Michalak Berlin
- Canva Nachrichtenoptionen 2: Email-Benachrichtigungen ausschalten.: Screenshot und Hervorhebungen: Thomas Michalak Berlin
- Canva Privatsphäre-Einstellungen 1: hier alles ausschalten!: Screenshot und Hervorhebungen: Thomas Michalak Berlin
- Canva Privatsphäre-Einstellungen 2: auch im unteren Bereich der Seite alles ausschalten!: Screenshot und Hervorhebungen: Thomas Michalak Berlin